OLG Frankfurt zur Erpressung eines Vermieters durch einen Anwalt

Beihilfe zur Erpressung eines Vermieters in Anwaltsschreiben
OLG Frankfurt a.M. 10.6.2015, 2 U 201/14
Die Forderung unstreitig nicht geschuldeter Vermögensvorteile als Voraussetzung für die unstreitig geschuldete Räumung und Herausgabe eines Mietobjekts kann eine Erpressung des Vermieters durch den Mieter sowie seine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begründen. Das Verfassen des Anwaltsschreibens, in dem die unberechtigte Forderung erhoben wird, kann als Beteiligung des Rechtsanwaltes an der Handlung und somit zu seiner Mithaftung auf Erstattung der seitens des Mieters erlangten Vermögensvorteile führen.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er hatte die ehemalige Pächterin des Klägers in einer Mietsache über Gewerberäume vertreten. Der Kläger hatte der Pächterin im Jahr 2012 fristlos gekündigt. Mit Schreiben des Beklagten vom 18.9.2012 machte die Pächterin gegenüber dem Kläger die Räumung jedoch davon abhängig, dass dieser auf sämtliche offenen Mietforderungen verzichtet und sich dazu verpflichtet, die geleistete Kaution und die gezahlte Maklerprovision zu erstatten. Sofern der Kläger das Pachtobjekt nicht zurückerhalten hätte, hätte er es auch nicht weiter verwerten können, insbesondere nicht an den Erwerber des Objektes, an den er es bereits veräußert hatte, übergeben können.
Um finanzielle Einbußen zu vermeiden, unterschrieb der Kläger eine entsprechende Vereinbarung und zahlte insgesamt 8.050 € an die Pächterin. Nachdem diese die Mietsache geräumt hatte, zog der Kläger zunächst erfolgreich gegenüber der Pächterin vor Gericht. Daraufhin klagte er auch gegen den Beklagten und Anwalt der Pächterin auf Zahlung von Schadenersatz.
Das LG gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz i.H.v. 8.050 € wegen Beteiligung an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung in Gestalt einer Erpressung seitens der vormaligen Pächterin des Klägers, die ihn zu einer Zahlung in Höhe dieses Betrages an sie veranlasst und die der Beklagte seinerzeit anwaltlich vertreten hatte gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 StGB, §§ 826, 830 Abs. 1, 2, § 249 BGB zu.
Der Beklagte hat sich vorsätzlich an der sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch die bereits durch das OLG im Jahr 2013 verurteilte Pächterin beteiligt. Die Forderung unstreitig nicht geschuldeter Vermögensvorteile als Voraussetzung für die unstreitig geschuldete Räumung und Herausgabe eines Mietobjekts kann eine Erpressung des Vermieters durch den Mieter sowie seine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begründen. Die aufgrund dessen getroffene Vereinbarung über die Gewährung der geforderten Vermögensvorteile kann wegen widerrechtlicher Drohung anfechtbar sein, wenn durch die Ankündigung, das Mietobjekt ansonsten nicht herauszugeben, für den Vermieter eine Zwangslage geschaffen wurde. Das Verfassen des Anwaltsschreibens, in dem die unberechtigte Forderung erhoben wird, kann als Beteiligung des Rechtsanwaltes an der Handlung und somit zu seiner Mithaftung auf Erstattung der seitens des Mieters erlangten Vermögensvorteile führen.
Der Annahme eines Schadens bereits durch Abschluss der Vereinbarung stand hier nicht entgegen, dass die genannte Vereinbarung unwirksam war, da der Kläger sie wirksam wegen Drohung mit einem empfindlichen Übel angefochten hatte (§ 142 Abs. 1, § 123 Abs. 1, § 124 Abs. 1 BGB). Schließlich reichte auch eine Vermögensgefährdung, die bereits durch den Abschluss der Vereinbarung begründet worden war, insoweit aus. Die schriftlich getroffene Vereinbarung bewirkte jedenfalls den erheblichen Anschein einer Verpflichtung des Klägers und begründete das nicht unerhebliche Risiko für ihn, die Wirksamkeit einer Anfechtung auch gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Denn die Wertung der Vereinbarung als anfechtbar war keineswegs sicher.
Die Aufgabe des Besitzes als Voraussetzung der Herausgabe des Pachtobjekts erforderte, dass auch sämtliche Personen, die für die Pächterin tätig waren, das Mietobjekt verließen. Dies war zum Zeitpunkt der Übergabe des Geldes jedoch noch nicht der Fall. Schließlich sprach eine Vermutung dafür, dass die Übergabe von Geld, die eine zuvor erzwungene entsprechende Zusage i.S. einer Erpressung umsetzt, nicht freiwillig erfolgt, sondern weiterhin aufgrund der vorangegangenen Drohung mit einem empfindlichen Übel. Das Eingehen auf eine Forderung, die unter Drohung mit einem empfindlichen Übel gestellt wird, ist nicht als freiwillig und als Ausdruck von Berechnung anzusehen, auch wenn hiermit gerade das Eintreten des angedrohten Übels vermieden werden soll. Vielmehr trägt es gerade der Zwangslage Rechnung und vollendet mithin gerade den Tatbestand der Erpressung. Aus den gleichen Gründen konnte hier auch nicht in der Aushändigung des Geldes durch den Kläger eine Bestätigung des nichtigen oder anfechtbaren Rechtsgeschäfts gesehen werden.
Quelle: Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank