AG München v. 13.12.2018 – 418 C 18466/18
92-jährige Mieterin muss Handwerker in ihrer Wohnung dulden
Auch 92-jährige Mieter müssen Erhaltungsmaßnahmen dulden, vor allem, wenn zuvor eine Mängelrüge wegen undichter Fenster erfolgt war. Sie dürfen die Duldung der Instandsetzungsmaßnahmen nicht davon abhängig machen, ob sie eine Ersatzwohnung erhalten und Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden.
Der Sachverhalt:
Die 92-jährige Beklagte ist seit April 2005 Mieterin der streitgegenständlichen
Drei-Einhalb-Zimmer-Wohnung von 100 qm in München-Arabellapark. Der Kläger
erbte die Wohnung und trat damit auf Vermieterseite in das bestehende
Mietverhältnis ein. Bereits im November 2007 hatte die Beklagte auf die
undichten Fenster, die daraus resultierende erhebliche Schimmelbildung und
Gesundheitsgefährdung hingewiesen und deswegen mit anwaltlicher Unterstützung
in Absprache mit dem Kläger die Mietzahlung ab 2013 um 15% gekürzt.
Im Juni 2018 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass nach längerem
Entscheidungsprozess der zuständigen Eigentümerversammlung ein Austausch der Fenster
anstehe und auf Verlangen die für die Dauer von schätzungsweise vier Tagen
anstehenden Bauschritte vorgestellt: Asbesthaltige Fensterelemente müssten
unter Anbringung einer Staubschutzwand demontiert, Heizkörper vorübergehend
ausgebaut und Möbel und Küchenelemente bis zu einem Meter Abstand von einem
dazu beauftragten Schreiner vorübergehend zurückgebaut werden. Die ihr für die
Aufmaßarbeiten angebotenen Termine im September 2019 lehnte die Beklagte ab, da
ihr zuvor die Übernahme von Hotelkosten bzw. Verpflegungs- und Reinigungskosten
schriftlich zugesagt werden müssten.
Der Kläger war der Ansicht, dass die Mängelbeseitigung nicht abhängig vom Alter
der Mieterin sei, sondern vom Ausmaß des Mangels und der Massivität ihres
Wunsches nach Beseitigung. Ohne Abklärung der erforderlichen Arbeiten könne die
Mieterin noch keine Gegenforderung hinsichtlich Hotel, Verpflegung und
Reinigung stellen, zumal sie noch sehr rüstig sei.
Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, dass mit ihr als ängstlicher
gewordener Person anders als mit jungen Mietern umgegangen werden müsse. Sie
verweigere sich nicht, wolle nur Sicherheit. In anderen Wohnungen sei man bei
einer solchen Renovierung fast eine Woche ohne Küche gewesen. Schließlich sei
sie durch das Verhalten des Klägers mittlerweile gesundheitlich so angegriffen,
dass sie an Auszug denke.
Das AG gab der Klage statt. Das Urteil ist nach Zurücknahme der Berufung seit
18.4.2019 rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Beklagte wird verurteilt, den beauftragten Handwerkern zur Maßaufnahme
sowie zur Feststellung der erforderlichen Vorarbeiten zum Fensteraustausch nach
vorheriger schriftlicher Ankündigung mit einer Frist von fünf Tagen montags bis
freitags in der Zeit zwischen 9 Uhr bis 17 Uhr den Zutritt und den Aufenthalt
zu gewähren und die Maßaufnahme der Fensterelemente sowie die Feststellung der
erforderlichen Vorarbeiten zu dulden und nicht zu behindern.
Gem. § 555 a Abs. 1 BGB hat der Mieter Maßnahmen zu dulden, die zur
Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache erforderlich sind. Gem. § 555
a Abs. 2 BGB sind Erhaltungsmaßnahmen dem Mieter rechtzeitig anzukündigen. Eine
besondere Form der Ankündigung ist im Rahmen des § 555 a BGB nicht
vorgeschrieben. Insofern würde auch eine mündliche Mitteilung ausreichen.
Inhaltlich soll die Ankündigung die beabsichtigte Maßnahme zumindest grob nach
Art und Umfang beschreiben. Entscheidend ist, dass der Mieter in die Lage
versetzt wird, die für ihn mit den Erhaltungsmaßnahmen verbundenen
Beeinträchtigungen zu beurteilen. Der Vermieter sollte mitteilen, wann die
Arbeiten beginnen und wie lange sie voraussichtlich dauern werden. Die
inhaltlichen Anforderungen an die Ankündigung sind hierbei allerdings nicht zu
überspannen.
Im vorliegenden Fall wurde lediglich die Zutrittsgewährung für die Vorarbeiten
zum Fensteraustausch verlangt. Vorbereitende Maßnahmen sind dabei Teil der
Maßnahmen nach § 555 a BGB. Somit müssen auch 92-jährige Mieter
Erhaltungsmaßnahmen dulden, vor allem, wenn – wie hier – zuvor eine Mängelrüge
wegen undichter Fenster erfolgt war. Die Beklagte darf die Duldung der
Instandsetzungsmaßnahmen auch nicht davon abhängig machen, ob sie eine
Ersatzwohnung erhält und Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. Im Übrigen
geht es vorliegend auch nur um Termine zur Maßaufnahme und zur Feststellung
eventueller Vorarbeiten.
Quelle: AG München PM vom 24.5.2019