BGH zum Verbot der kurzfristigen Vermietung in einer WEG

BGH v. 12.4.2019 – V ZR 112/18

Verbot der kurzzeitigen Vermietung von Eigentumswohnungen nur bei Zustimmung aller Wohnungseigentümer

Das Verbot einer bislang gestatteten kurzzeitigen Vermietung von Eigentumswohnungen (z.B. an Feriengäste) bedarf der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Es ist nicht zulässig, die kurzzeitige Vermietung auf der Grundlage einer sogenannten Öffnungsklausel durch Mehrheitsbeschluss (hier mit 75 % aller Miteigentumsanteile) zu untersagen.

Der Sachverhalt:

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Wohnungen. Die Klägerin ist Eigentümerin einer der Wohnungen, die Beklagten sind die übrigen Wohnungseigentümer. Die Teilungserklärung enthält eine Regelung, wonach den Wohnungseigentümern auch die kurzzeitige Vermietung ihrer Wohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet ist.

Eine sog. Öffnungsklausel sieht vor, dass die Teilungserklärung mit einer Mehrheit von 75 % aller Miteigentumsanteile geändert werden kann. Mit einer solchen Mehrheit beschlossen die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 29.3.2017, die Teilungserklärung dahingehend zu ändern, dass die Überlassung einer Wohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste, vor Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unterkunftsbedürfnissen von kurzer Dauer sowie eine Nutzung als Werkswohnung nicht mehr zulässig ist.

Auf die unter Wahrung der Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhobene Beschlussmängelklage der Klägerin stellte das AG die Nichtigkeit des Beschlusses fest. Die Berufung der übrigen Wohnungseigentümer hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie ihre vorliegende Revision vor dem BGH.

Die Gründe:
Der Beschluss ist rechtswidrig, weil die Zustimmung der Klägerin fehlte; daher ist der Beschlussmängelklage zu Recht stattgegeben worden.

Nach der bislang geltenden Gemeinschaftsordnung war die kurzzeitige Vermietung zulässig. Dienen Einheiten – wie hier – zu Wohnzwecken, ist dies als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasst, wie der BGH schon im Jahr 2010 entschieden hat, auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste; diese Vermietungsformen waren hier bislang sogar ausdrücklich erlaubt. Im Ausgangspunkt erlaubt es die allgemeine Öffnungsklausel den Wohnungseigentümern zwar, solche Vereinbarungen mit qualifizierter Mehrheit zu ändern. Zum Schutz der Minderheit sind dabei aber bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Das gilt u.a. für Beschlussgegenstände, die zwar verzichtbare, aber mehrheitsfeste Rechte der Sondereigentümer betreffen. Zu diesen mehrheitsfesten Rechten eines Sondereigentümers gehört die Zweckbestimmung seines Wohnungs- oder Teileigentums. Diese gibt vor, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden darf; deshalb hat sie aus Sicht des Sondereigentümers entscheidenden Einfluss auf den Wert seiner Einheit. Wird sie geändert oder eingeschränkt, betrifft dies die Nutzung des Sondereigentums in substanzieller Weise.

Derartige Eingriffe bedürfen jedenfalls der Zustimmung des Eigentümers der Einheit, deren Zweckbestimmung geändert werden soll. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel, die dem Umstand Rechnung trägt, dass das Sondereigentum als echtes Eigentum i.S.v. § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet ist. Eine solche Klausel berechtigt etwa nicht dazu, eine als Gaststätte dienende Teileigentumseinheit ohne Zustimmung des Teileigentümers mit der Zweckbestimmung Büro zu versehen, weil die Mehrheit den Gaststättenbetrieb als störend empfindet. Auch Vermietungsverbote greifen in die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums ein. Ein generelles (also sowohl auf kurz- als auch auf langfristige Vermietungen bezogenes) Vermietungsverbot könnte nur dann rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietenden, sondern alle Wohnungseigentümer zustimmen; denn auch die Zweckbestimmung solcher Einheiten, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung von den Eigentümern selbst genutzt werden, würde eingeschränkt, wenn eine Vermietung fortan unterbleiben müsste.

Vorliegend haben die Wohnungseigentümer zwar kein generelles, sondern ein spezielles Vermietungsverbot beschlossen, mit dem nur bestimmte, nämlich kurzzeitige Vermietungen untersagt werden. Aber auch ein solches Verbot kann nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden. Denn es verengt die zuvor weite Zweckbestimmung der Einheiten und schränkt das in § 13 Abs. 1 WEG gewährleistete Recht jedes einzelnen Wohnungseigentümers, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren, dauerhaft in erheblicher Weise ein. Über die Nutzung des Sondereigentums darf aber soweit nichts anderes vereinbart ist – der Sondereigentümer frei entscheiden, und er darf sich darauf verlassen, dass seine auf das Sondereigentum bezogenen Nutzungsbefugnisse nicht ohne sein Zutun eingeschränkt werden. Infolgedessen dürfen auch Vermietungen von besonders kurzer Dauer oder bestimmter Art – wie etwa die Vermietung als Ferien- oder Werkswohnung – nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer verboten werden; andernfalls entstünden i.Ü. erhebliche Abgrenzungs- und Wertungsprobleme.

Die Eigentumsrechte der übrigen Wohnungseigentümer werden hierdurch nicht außer Acht gelassen. Allerdings erfordern Regelungen, die – wie das Verbot der kurzzeitigen Vermietung in einer reinen Wohnungseigentumsanlage – die Zweckbestimmung aller Einheiten betreffen, eine allstimmige Beschlussfassung; diese zu erreichen, kann sich gerade in größeren Anlagen als schwierig erweisen. Den übrigen Wohnungseigentümern stehen aber ggf. andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Was die Kurzzeitvermietung angeht, müssen damit einhergehende Störungen wie Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigungen durch Feriengäste nicht hingenommen werden; sie können einen Unterlassungsanspruch gem. § 15 Abs. 3 WEG begründen. Solche Störungen machen die Beklagten allerdings – soweit ersichtlich – nicht geltend. Der von ihnen vornehmlich angeführte Umstand, dass die kurzzeitigen Mieter den anderen Bewohnern unbekannt sind, stellt für sich genommen keine Störung dar.
 

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Quelle: BGH PM Nr. 47 vom 12.4.2019