Jahresfristen bei Nebenkostenabrechnungen

 

BGH 27.7.2011, VIII ZR 316/10

Vermieter können ausnahmsweise auch nach Ablauf der Jahresfrist Nebenkostennachzahlungen verlangen

Die Regelung des § 556 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 BGB steht einer einmaligen einvernehmlichen Verlängerung der jährlichen Abrechnungsperiode zum Zweck der Umstellung auf eine kalenderjährliche Abrechnung nicht entgegen. Der von der h.M. in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum eingenommene Rechtsstandpunkt, wonach eine vertragliche Verlängerung der jährlichen Abrechnungsperiode ohne Ausnahme unzulässig ist, findet in den Gesetzesmaterialien keine Stütze.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der V. Die Klägerin ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der am 24.9.2009 verstorbenen V. Am 31.8.2009 rechnete das mit der Abrechnung betraute Unternehmen die Nebenkosten für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 31.12.2008 ab. Der Beklagte hatte zuvor mit der damaligen Betreuerin der Erblasserin vereinbart, dass der Abrechnungszeitraum im Hinblick auf deren Überlastung und die beabsichtigte Umstellung auf eine kalenderjährliche Abrechnung von zwölf Monaten auf neunzehn Monate verlängert wird.

Die Abrechnung ging dem Beklagten am 2.11.2009 zu und wies eine Nachforderung der Erblasserin i.H.v. rund 728 € aus. Der Beklagte verweigerte allerdings die Zahlung.

Das AG gab der Zahlungsklage statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die zwischen der damaligen Betreuerin der Erblasserin und dem Beklagten im Sommer 2008 getroffene Vereinbarung über eine einmalige Verlängerung der jährlichen Abrechnungsperiode auf neunzehn Monate war – entgegen der Ansicht des LG – nicht nach § 556 Abs. 4 BGB unwirksam.

In der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum herrscht Streit darüber, ob im Hinblick auf diese Bestimmung eine vertragliche Verlängerung der in § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgesehenen Abrechnungsperiode von einem Jahr stets unzulässig ist. Der Senat hatte sich mit dieser Frage zwar bislang noch nicht zu befassen. Er hat sich allerdings nun einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach die Bestimmung des § 556 Abs. 4 BGB einer vertraglichen Absprache über eine einmalige Verlängerung des bisherigen Abrechnungszeitraums jedenfalls dann nicht entgegenstehe, wenn damit – wie hier – eine Umstellung auf das Kalenderjahr ermöglicht werden solle, um etwa eine Harmonisierung des Abrechnungsjahrs mit den Abrechnungszeiträumen verschiedener Leistungsträger oder eine Vereinfachung und praktikablere Handhabung der Abrechnung herbeizuführen.

Der von der h.M. in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum eingenommene Rechtsstandpunkt, wonach eine vertragliche Verlängerung der jährlichen Abrechnungsperiode ohne Ausnahme unzulässig ist, findet in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Denn weder die Entstehungsgeschichte der Regelungen in § 556 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 BGB noch deren Sinn und Zweck schließen eine solche vertragliche Absprache aus.

Die Regelungen sind Teil eines gesetzgeberischen Konzepts, das darauf angelegt ist, einerseits einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern zu finden und hierdurch mehr Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen und andererseits den Mietvertragsparteien mehr Raum für eine eigenverantwortliche Vertragsgestaltung zu geben und so die partnerschaftliche Kooperation zwischen ihnen zu fördern. Diesen gesetzgeberischen Zielsetzungen wird eine Auslegung des § 556 Abs. 4 BGB nicht gerecht, die eine einzelfallbezogene Verständigung der Mietvertragsparteien über eine Verlängerung der jährlichen Abrechnungsperiode auch dann ausschließen soll, wenn mit einer solchen Verlängerung den Interessen beider Mietvertragsparteien gedient ist, weil mit ihr eine Umstellung des Abrechnungszeitraums auf eine andere jährliche Abrechnungsperiode – etwa auf das Kalenderjahr – bezweckt wird.