Ist die Mietpreisbremse verfassungswidrig?
LG Berlin 7.12.2017, 67 S 218/17
Durch das uneinheitlich bindende Regelungssystem in § 556d BGB hinsichtlich der sog. Mietpreisbremse verstößt der Bundesgesetzgeber in verfassungswidriger Weise gleichzeitig gegen das am Gesamtstaat zu messende Gleichheitsgebot und das Bestimmtheitsgebot. Allerdings hat allein das BVerfG die Kompetenz, eine gesetzliche Regelung für verfassungswidrig zu erklären.
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten im Februar 2016 einen Mietvertrag über eine in Berlin-Wedding gelegene 2-1/2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 59,29 m² geschlossen. Als Mietzins war ein Betrag von 474,32 € netto kalt monatlich vereinbart worden. Das Mietverhältnis sollte im März 2016 beginnen.
Später rügten die Mieter mit einem der Vermieterin am 5.7.2016 zugegangenen Schreiben, dass die Miethöhe ihrer Ansicht nach preisrechtlich überhöht sei und sich nur auf 419,18 € netto kalt belaufen dürfe. Das AG gab der Klage der Mieter teilweise statt und stellte in seinem Urteil fest, dass die von der Mieterin geschuldete Miete unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben der Mietpreisbremse ab dem 1.8.2016 lediglich 435,78 € betrage. Bei Vertragsbeginn habe die ortsübliche Vergleichsmiete ausweislich des Berliner Mietspiegels 2015 für die von der Mieterin angemietete Wohnung nur bei 6,68 € pro Quadratmeter (=insgesamt 396,16 €) gelegen; diese hätte die Vermieterin um höchstens 10 % überschreiten dürfen.
Die Vermieterin war der Ansicht, das AG habe die maßgebliche ortsübliche Vergleichsmiete, die Grundlage dafür ist, die zulässige Wohnungsmiete zu bestimmen, fehlerhaft ermittelt. Zudem habe es zu Unrecht kein Sachverständigengutachten eingeholt und sich unzulässig nur auf den Berliner Mietspiegel 2015 gestützt. Abgesehen davon könnten die Vorschriften der Mietpreisbremse ohnehin nicht zu Lasten eines Vermieters angewandt werden, da sie gegen das GG verstießen. Auf die Berufung der Vermieterin hat das LG das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die sog. Mietpreisbremse (§ 556d BGB) verfassungswidrig ist.
Die Gründe:
Die Zivilkammer 67 hält die Vorschrift § 556d BGB über die sog. Mietpreisbremse für verfassungswidrig.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen der Entscheidung aus September 2017 (Az.: 67 S 149/17) verwiesen. Demnach liegt eine ungleiche Behandlung von Vermietern vor. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber Differenzierungen vornimmt, müssen diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dies hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556d BGB nicht beachtet und in verfassungswidriger Weise in das Recht der Mietvertragsparteien, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen. § 556d BGB i.V.m. der von dem Land Berlin erlassenen Rechtsverordnung begrenzt die zulässige Neuvermietung auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Der Wohnungsmietmarkt weist seit langem bundesweit starke Preisunterschiede auf. Die Differenz in der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt etwa zwischen der Stadt München und dem Westteil der Stadt Berlin ca. 4,30 € pro Quadratmeter in 2013 und 4,70 € pro Quadratmeter in 2016 (Miete pro Quadratmeter in München 10,25 € bzw. 11,16 € gegenüber 5,90 € bzw. 6,46 € in Berlin). Dies entspricht einem Unterschied von über 70 %. Damit hat der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich trifft. Weder der Gesetzeszweck noch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile noch sonstige Sachgründe rechtfertigen dies. Insbesondere sind im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern nicht erhoben worden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener, die vom Gesetz geschützt werden sollen, in höherpreisigen Mietmärkten wie München erheblich besser gestellt sind als die gleichen Zielgruppen in Berlin.
Es liegt auch deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt werden. Denn diese Vermieter dürfen bei einer Neuvermietung die „alte“ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen. Ein Bestandsschutz für diese „alte“ Miete kann jedoch bei einer Neuvermietung nicht angenommen werden. Zudem ist die Ungleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg unvereinbar. Denn die Vermieter, die in der Vergangenheit eine maßvolle Miete verlangt hatten, werden gegenüber denjenigen Vermietern, die schon in der Vergangenheit die am Markt erzielbare Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen hatten, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp wird, ungleich behandelt.
Nunmehr ist die Kammer zudem der Ansicht, dass die Vorschrift der Mietpreisbremse auch gegen das im GG verankerte Bestimmtheitsgebot verstößt. Schließlich hat der Bundesgesetzgeber die staatliche Preisintervention nicht allein davon abhängig gemacht, dass ein angespannter kommunaler Wohnungsmarkt vorliegt. Es kommt zusätzlich auf die politische Willensbildung auf Landesebene und die darauf beruhende Entscheidung der jeweiligen Landesregierung an, ob von der im Gesetz enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung zur Umsetzung der Mietpreisbremse Gebrauch gemacht wird.
§ 556d BGB verpflichtet die jeweilige Landesregierung nicht dazu, die Vorschrift im Landesrecht umzusetzen, auch wenn der Wohnungsmarkt im gesamten Bundesland oder in einzelnen Kommunen angespannt ist. Deshalb sind Vermieter in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Saarland bislang nicht von der Mietpreisbremse betroffen, da die Landesregierungen dort trotz zumindest nicht auszuschließender Anspannung einzelner kommunaler Wohnungsmärkte weiterhin davon absehen, die bundesgesetzlichen Vorschriften zur Mietpreisbremse durch eine Landesverordnung zu vollziehen. Dasselbe gilt demnächst voraussichtlich für Vermieter in NRW und Schleswig-Holstein, in denen sich die jeweiligen Landesregierungen nach Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse ausweislich der geschlossenen Koalitionsverträge sogar dazu entschlossen haben, bereits erlassene Verordnungen trotz unzweifelhafter Anspannung zahlreicher kommunaler Wohnungsmärkte wieder aufzuheben.
Im Gegensatz dazu sind Vermieter in Bundesländen wie Berlin vom angeordneten Preisstopp der Mietpreisbremse betroffen, da dort die bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage durch Erlass einer Landesverordnung umgesetzt worden ist. Durch dieses uneinheitlich bindende Regelungssystem verstößt der Bundesgesetzgeber in verfassungswidriger Weise gleichzeitig gegen das am Gesamtstaat zu messende Gleichheitsgebot und das Bestimmtheitsgebot. Allerdings hat allein das BVerfG die Kompetenz, eine gesetzliche Regelung für verfassungswidrig zu erklären.
Quelle: LG Berlin Pressemitteilung v. 11.12.2017