BGH 25.10.2011, VIII ZR 125/11
Zu den Substantiierungsanforderungen bei der Geltendmachung von Mängeln am Mietobjekt
Die Substantiierungslast darf bei der Geltendmachung von Mängeln am Mietobjekt nicht überspannt werden. Insbesondere braucht nicht das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung oder sogar ein bestimmter Minderungsbetrag vorgetragen zu werden.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung der Klägerin. Die Bruttomiete beträgt rund 803 € monatlich. Die Klägerin nahm den Beklagten auf Zahlung rückständiger Mieten und Nebenkostennachforderungen aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2008 sowie auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung in Anspruch. Dieser hatte zuvor Mietkürzungen wegen zahlreicher Mängel vorgenommen.
Der Beklagte machte u.a. geltend, dass durch den offen im Fliesenboden verlegten Badewannenabfluss Fäkalgerüche bei Benutzung des Badezimmers entstünden. Dies legte er im späteren Verfahren unter Vorlage eines Lichtbilds dar. Ähnlich verhielt es sich mit einem „durchgerosteten und undichten“ Zuleitungsrohrs zum WC. Zum Nachweis dieser Mängelrügen hatte der Beklagte sich auf die Einnahme eines Augenscheins und auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen.
Das AG gab der Klage weitestgehend statt, wies jedoch die Räumungsklage ab; das LG verurteilte den Beklagten zudem zur Räumung und Herausgabe der Wohnung. Beide Instanzen hielten die Mängelrügen für unzureichend substantiiert. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Die angefochtene Entscheidung verletzte in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG.
Das Berufungsgericht hat die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den entscheidungserheblichen Sachvortrag des Beklagten in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen sowie die angebotenen Beweise zu erheben. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind.
Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten. Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen.
Das Berufungsgericht im vorliegenden Fall hatte allerdings abweichend von den beschriebenen Grundsätzen weiteren Vortrag des Beklagten zum Umfang und zur Intensität der Gebrauchsbeeinträchtigungen verlangt. Außerdem hatte es unter Missachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine konkrete Darlegung der Mängelursachen (Zusammenhang zwischen Badezimmerabfluss und gerügten Fäkalgerüchen) oder jedenfalls eine detaillierte Beschreibung der Mängel (Umfang der Durchrostung und Undichtigkeit des Zuleitungsrohrs zum WC) für erforderlich gehalten. Diese Fragen waren allerdings im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären.