OLG Hamm 12.6.2017, 22 U 64/16
Silberfischchen in gebrauchten Immobilien stellen keinen Sachmangel dar
Der Käufer einer bereits genutzten Eigentumswohnung kann nicht davon ausgehen, dass die Wohnung vollkommen frei von Silberfischchen ist. Ein Grundbestand ist nicht unüblich. Allein dieser begründet keinen Sachmangel.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Dezember 2013 vom Beklagten eine 1994 errichtete Eigentumswohnung zu einem Preis von 117.000 € gekauft. Ein paar Wochen nach der Wohnungsübergabe, die im März 2017 stattfand, entdeckte die Klägerin einen Befall der Wohnung mit Silberfischchen. Nach ihren Angaben hätten sich diese in den folgenden Wochen in der ganzen Wohnung verbreitet und sich trotz intensiver Bekämpfung nicht entfernen lassen. Bereits bei Vertragsschluss und Wohnungsübergabe habe ein starker Befall vorgelegen. Die Klägerin erklärte daher den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Das LG wies die auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage ab, da ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht festgestellt werden konnte. Auch die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Der Klägerin stehen keine Gewährleistungsansprüche zu. Sie kann die Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags weder aufgrund des erklärten Rücktritts gem. §§ 323, 346 ff BGB noch als großen Schadensersatz gem. §§ 280, 281 BGB verlangen, da die Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 3, 440 BGB nicht vorliegen.
Es lässt sich kein zum Zeitpunkt der Wohnungsübergabe vorliegender Sachmangel feststellen, der die Rückabwicklung des Kaufvertrags rechtfertigen würde. Denn bei einer zu Wohnzwecken bestimmten Immobilie ist es laut Sachverständigengutachten nicht ungewöhnlich, dass ein gewisser Bestand an Silberfischchen vorliegt. Allein das Vorliegen dieses Grundbestands stellt jedoch keinen Sachmangel dar. Es kann nicht erwartet werden, dass eine bereits genutzte Immobilie vollkommen frei von Silberfischchen ist.
Sind Insekten in einer Wohnung vorhanden, begründet dies erst dann einen Mangel, wenn die Wohnung sich deswegen nicht mehr zum Wohnen eignet oder eine für eine Wohnung unübliche Beschaffenheit aufweist. Von den Silberfischchen geht keine Gesundheitsgefahr aus, so dass ihr Vorkommen nicht dazu führt, dass die Wohnung nicht mehr zu Wohnzwecken geeignet ist.
Wenn die Wohnung zum Zeitpunkt der Wohnungsübergabe im März 2017 nicht vollkommen frei von Silberfischchen war, stellt dies daher keinen Sachmangel dar. Ein stärkerer Befall der Wohnung mit Silberfischchen – wie von der Klägerin vorgetragen – ist zum Wohnungsübergabezeitpunkt nicht bewiesen.
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Quelle: OLG Hamm PM vom 19.7.2017