WEG: Wieviel Lärm ist zumutbar?
AG München 4.5.2017, 281 C 17481/16
Den von einer Familie mit kleinen Kindern ausgehenden Lärm müssen Nachbarn nicht grenzenlos hinnehmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn Frequenz, Lautstärke und die Zeiten der Lärmentfaltung nicht mehr im Zusammenhang mit einer adäquaten Wohnnutzung oder einer hinzunehmenden lebhaften Lebensäußerung von Kindern stehen.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft eines achtstöckigen Hochhauses im Münchner Osten mit vier bis fünf Wohnungen pro Stockwerk. Eine dieser Wohnungen mit drei Zimmern wird seit sechs Jahren an das beklagte Ehepaar mit seinen zwei Kindern (vier und sieben Jahre alt) vermietet. Die Hausordnung sieht Ruhezeiten von 12-14 Uhr und 20-7 Uhr vor.
Die Klägerin trägt vor, dass es zur Mittags- und Nachtzeit fast täglich zu Ruhestörungen durch die Beklagten komme. Gerügt werden Unterhaltungen weit über Zimmerlautstärke, Telefonate unter Benutzung der Freisprecheinrichtung, häufiger abendlicher Besuch von mehreren Personen, laute Musik sowie Fernsehgeräusche sowie häufiges Staubsaugen in den Abendstunden. Zudem verursache die Familie Lärm durch Geschrei, Herumtrampeln, Springen und dadurch dass sie Gegenstände fallenlasse, Türen zuwerfe und rhythmisch auf den Boden schlage. Die Beklagten wurden – fast seit ihrem Einzug von den Miteigentümern immer wieder aufgefordert, die Störungen zu unterlassen. Die Situation änderte sich dadurch jedoch nicht.
Die Beklagten bestreiten demgegenüber die Ruhestörungen. Die Kinder gingen auch in der Ferienzeit spätestens gegen 20 Uhr bzw. 20:30 Uhr ins Bett. Die Beklagten hätten im vergangenen Jahr keinen Besuch gehabt. Die als Zeugin gehörte Nachbarin unterhalb legte ein von ihr geführten Lärmprotokoll vor und gab an, dass es täglich zum Teil bis nach Mitternacht laut gewesen sei, da die Erwachsenen schrien, sich laut unterhielten und zeitgleich den Fernseher laut betrieben. Die Kinder schrien, trampelten oder sprangen Seil. Mehrmals pro Woche seien fünf bis acht Kinder in der Wohnung der Beklagten anwesend gewesen. Zudem habe man oft nach 20 Uhr gestaubsaugt und Möbel verrückt. Die Zeugin habe mehrfach versucht mit dem Ehemann zu reden. Der habe aber lediglich gesagt, dass er alles machen könne, was er wolle. Die Zeugin sei schließlich 2017 aufgrund des Lärmes aus ihrer Eigentumswohnung in eine Mietwohnung umgezogen. Diese Angaben wurden von einer weiteren Nachbarin und deren Lärmprotokoll bestätigt.
Das AG gab der Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Frequenz, Lautstärke und die Zeiten der Lärmentfaltung stehen nicht mehr im Zusammenhang mit einer adäquaten Wohnnutzung oder einer hinzunehmenden lebhaften Lebensäußerung von Kindern. Das von den Kindern ausgehende regelmäßige und über einen langen Zeitraum gehende laute Geschrei, Springen und Getrampel in der Wohnung weit nach 20 Uhr, Seilspringen in der Wohnung und das Herumfahren mit Kinderfahrrad und Roller im Hausflur geht über das hinaus, was bei Kindern üblicherweise hingenommen werden muss. Zudem haben sich die Beklagten auch rücksichtslos verhalten, indem sie auf mehrfache Aufforderungen der Hauseigentümer, den Lärmpegel zu senken, mit der Aussage reagierten, dass sie tun und lassen können, was sie wollten.
Quelle: AG München PM Nr. 3 vom 12.1.2018