AG Charlottenburg v. 14.1.2020 – 203 C 31/19

Diskriminierung beim Zugang zur Versorgung mit Wohnraum

Durch die Versendung der Absagen an den Kläger unter seinem türkisch klingenden Namen und der Einladung zur Besichtigung aufgrund seiner Anfragen unter den fiktiven Namen ist der Kläger weniger günstig behandelt worden als eine Person mit deutsch klingenden Namen. Der Kläger ist mithin benachteiligt worden. Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gilt auch bereits im Vorfeld der Vermietung.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte vermietet in Berlin ca. 110.000 Wohnungen. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht sie Wohnungsangebote. Über ein online-Formular können sich Interessenten um einen Besichtigungstermin für die angebotenen Wohnungen bewerben. Dies hatte der Kläger erstmals am 9.10.2018 getan. Außer seinem Namen und seinen Kontaktdaten enthielt das Onlineformular keine weiteren Daten des Klägers. Am 10.10.2018 erhielt der Kläger von einer Mitarbeiterin der Beklagten, eine E-Mail mit einer Absage. In dieser E-Mail heißt es, dass bedauerlicherweise dem Kläger für diese Wohnung aufgrund der zahlreichen Anfragen kein Angebot unterbreitet werden könne.

Daraufhin bewarb sich der Kläger unter einem fiktiven Namen noch einmal um die Besichtigung derselben Wohnung. Mit E-Mail vom 11.10.2018 teilte die Mitarbeiterin der Beklagten mit, er könne sich die Schlüssel für eine Besichtigung am Servicepoint abholen. Im November 2018 bewarb sich der Kläger unter seinem richtigen Namen abermals um die Besichtigung einer anderen Wohnung. Mit E-Mail vom 12.11.2018 erhielt der Kläger von der Mitarbeiterin der Beklagten eine Absage. Der Kläger bewarb sich am gleichen Tag unter einem weiteren fiktiven Namen nochmals um die Besichtigung der Wohnung und erhielt die Mitteilung, dass er sich die Schlüssel für eine Besichtigung der Wohnung im Servicepoint abholen könne.

Der Kläger wandte sich daraufhin an die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt und ließ sich beraten. Gerichtlich verlangte der Kläger eine angemessene Entschädigung, deren Höhe 2.000 € nicht unterschreiten sollte. Die Beklagte wies den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Der Sachverhalt lasse sich darauf zurückführen, dass die Beklagte für die Wohnungsangebote mehr als 200 Bewerbungen innerhalb kurzer Zeit erhalten hätte und aufgrund der hohen Bewerberzahlen und entsprechend kurzen Terminfristen die Mitarbeiter eventuell eine nicht mehr aktuelle Information an den Kläger herausgegeben hätten. Die Verteilung von Einladungen und Absagen zu einem Besichtigungstermin für ein Wohnungsangebot beruhe auf bloßem Zufall.

Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 3.000 €.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung gem. § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG.

Der Anwendungsbereich des AGG ist vorliegend gem. § 2 Abs. 1 Nummer 8 AGG eröffnet. Der Kläger behauptet beim Zugang zur Versorgung mit Wohnraum von der Beklagten diskriminiert worden zu sein. Unstreitig hat die Beklagte die Wohnungen öffentlich angeboten. Ferner hat die Beklagte durch die Versendung von Absagen zur Wohnungsbesichtigung gegen das Verbot der Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft aus § 19 Abs. 2 AGG verstoßen, da es hinreichende Indizien dafür gibt, dass die Ablehnung aufgrund des türkisch klingenden Namens des Klägers erfolgte und es der Beklagten nicht gelungen ist zu beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmung zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dass ein Rechtfertigungsgrund gem. § 19 Abs. 3 AGG vorliegt, kann nicht festgestellt werden.

Durch die Versendung der Absagen an den Kläger unter seinem türkisch klingenden Namen und der Einladung zur Besichtigung aufgrund seiner Anfragen unter den fiktiven Namen ist der Kläger weniger günstig behandelt worden als eine Person mit deutsch klingenden Namen. Der Kläger ist mithin benachteiligt worden. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person aus den in § 1 AGG genannten Gründen „eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“ (§ 3 Abs. 1 AGG).

Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gilt auch bereits im Vorfeld der Vermietung. Dem Kläger ist es gelungen, Indizien darzulegen und zu beweisen, die die Vermutung rechtfertigen, dass er allein aufgrund seines türkisch klingenden Namens, mithin seiner ethnischen Herkunft, keine Einladung zu einem Besichtigungstermin erhalten hat. Die Beklagte kann sich auch nicht auf § 19 Abs. 3 AGG berufen. Danach ist ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 3.000 € angemessen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Beklagten um einen der größten Vermieter in Berlin handelt. Diskriminierungen durch die Beklagte wirken sich daher besonders schwerwiegend aus, da der Kläger hierdurch vom Zugang zu einem erheblichen Anteil des Mietwohnungsmarktes in Berlin abgeschnitten ist.
 

Quelle: Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg